Sanierungsempfehlungen: Aus der Heizlastberechnung lernen
Eine Heizlastberechnung ist mehr als nur eine Zahl für die Heizungsauslegung – sie ist ein Röntgenbild Ihres Gebäudes. Die detaillierten Ergebnisse zeigen exakt, wo Wärme verloren geht und wo Sanierungsmaßnahmen den größten Effekt haben. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie diese Informationen für eine zielgerichtete Sanierungsplanung nutzen.
Die Gebäudehülle verstehen
Wärme entweicht auf drei Wegen
| Verlustpfad | Typischer Anteil | Hauptverursacher |
|---|---|---|
| Transmission | 70–85% | Außenwände, Fenster, Dach, Boden |
| Lüftung | 15–25% | Luftwechsel, Undichtigkeiten |
| Wärmebrücken | 5–15% | Anschlüsse, Durchdringungen |
Die Heizlastberechnung schlüsselt diese Verluste detailliert auf – die Grundlage für jede Sanierungsplanung.
Der U-Wert als Schlüsselkennzahl
Der Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) beschreibt, wie viel Wärme durch ein Bauteil entweicht:
Q = U × A × ΔT
| Symbol | Bedeutung | Einheit |
|---|---|---|
| Q | Wärmeverlust | Watt (W) |
| U | U-Wert | W/(m²·K) |
| A | Fläche | m² |
| ΔT | Temperaturdifferenz | Kelvin (K) |
Beispiel: Eine Außenwand mit U = 1,0 W/(m²·K), 50 m² Fläche und 35 K Temperaturdifferenz (20°C innen, -15°C außen) verliert: Q = 1,0 × 50 × 35 = 1.750 W = 1,75 kW
U-Werte typischer Bauteile
| Bauteil | Unsaniert | Nach GEG 2024 | Passivhaus |
|---|---|---|---|
| Außenwand | 1,0–1,8 | ≤ 0,24 | ≤ 0,15 |
| Dach/oberste Decke | 0,6–1,2 | ≤ 0,20 | ≤ 0,15 |
| Kellerdecke | 0,8–1,5 | ≤ 0,25 | ≤ 0,15 |
| Fenster | 2,5–3,5 | ≤ 1,10 | ≤ 0,80 |
| Außentür | 2,5–4,0 | ≤ 1,80 | ≤ 0,80 |
Schwachstellen identifizieren
Die Heizlastberechnung als Diagnose-Tool
Aus der bauteilweisen Aufschlüsselung können Sie direkt ablesen:
- Welche Bauteile verursachen die höchsten Verluste?
- Wie weit weichen die U-Werte vom GEG-Standard ab?
- Wo ist das Einsparpotenzial am größten?
Prioritäten nach Verlustanteil
| Verlustanteil | Priorität | Typische Bauteile |
|---|---|---|
| > 30% | Sehr hoch | Außenwände (große Fläche) |
| 15–30% | Hoch | Fenster, Dach |
| 5–15% | Mittel | Kellerdecke, Türen |
| < 5% | Niedrig | Einzelne Wärmebrücken |
Beispiel: Verlustaufteilung in einem Altbau
| Bauteil | Fläche | U-Wert | Verlust | Anteil |
|---|---|---|---|---|
| Außenwand | 150 m² | 1,2 | 6.300 W | 42% |
| Fenster | 30 m² | 2,8 | 2.940 W | 20% |
| Dach | 80 m² | 0,8 | 2.240 W | 15% |
| Kellerdecke | 80 m² | 0,9 | 2.160 W | 14% |
| Lüftung | - | - | 1.350 W | 9% |
| Gesamt | - | - | 15.000 W | 100% |
Sanierungsvorschläge im PV-Calor Heizlast-Rechner
Unser Heizlast-Rechner analysiert automatisch das Optimierungspotenzial jeder Bauteilgruppe basierend auf GEG 2024:
Automatische Analyse der Einsparpotenziale nach GEG-Standards
Die Analyse im Detail
Für jede Bauteilgruppe zeigt der Rechner:
| Kennzahl | Beschreibung |
|---|---|
| Fläche | Gesamtfläche der Bauteilgruppe |
| U-Wert IST (Ø) | Aktueller durchschnittlicher U-Wert |
| U-Wert SOLL (GEG) | GEG-Anforderung bei Bauteilsanierung |
| Energieeinsparung | Jährliche Einsparung in kWh/a |
| Heizlastreduktion | Reduktion der Norm-Heizlast in kW |
Gesamtpotenzial
Die Kopfzeile fasst das gesamte Einsparpotenzial zusammen:
- Gesamt-Energieeinsparung: Mögliche jährliche Einsparung bei Umsetzung aller Maßnahmen
- Gesamt-Heizlastreduktion: Mögliche Reduktion der Heizlast
- Heizgradtage (Kd): Klimatische Basis der Berechnung
Die wichtigsten Sanierungsmaßnahmen
1. Außenwanddämmung
Die Außenwand ist oft der größte Verursacher von Wärmeverlusten.
Dämmsysteme im Vergleich:
| System | Dämmstärke | U-Wert nachher | Kosten/m² |
|---|---|---|---|
| WDVS (Wärmedämmverbundsystem) | 14–20 cm | 0,18–0,24 | 120–180 € |
| Vorhangfassade | 16–24 cm | 0,15–0,20 | 180–280 € |
| Innendämmung | 6–10 cm | 0,35–0,50 | 80–130 € |
| Kerndämmung (Hohlwand) | 4–8 cm | 0,30–0,40 | 25–50 € |
Vorteile der Außenwanddämmung:
- Höchstes Einsparpotenzial (oft 25–35% der Heizenergie)
- Verbesserter Wohnkomfort (warme Innenwände)
- Schutz der Bausubstanz
Zu beachten:
- Fensteranschlüsse sorgfältig planen
- Ausreichende Dämmstärke wählen (Einmalkosten!)
- Denkmalschutz und Gestaltungssatzungen prüfen
Tipp: Bei der Außenwanddämmung lohnt sich eine großzügige Dimensionierung. Die Arbeitskosten bleiben gleich – nur das Material wird teurer. 20 cm statt 14 cm kosten nur ~20% mehr, bringen aber ~40% bessere Dämmung!
2. Dachdämmung / Oberste Geschossdecke
Warme Luft steigt nach oben – ein ungedämmtes Dach ist ein enormer Energiefresser.
Optionen:
| Variante | Anwendung | U-Wert | Kosten |
|---|---|---|---|
| Zwischensparrendämmung | Bewohntes Dachgeschoss | 0,18–0,24 | 50–80 €/m² |
| Aufsparrendämmung | Bei Dachsanierung | 0,14–0,18 | 150–250 €/m² |
| Dämmung oberste Decke | Unbeheizter Dachboden | 0,14–0,20 | 30–60 €/m² |
Besonderheit oberste Geschossdecke:
- Günstigste Maßnahme mit sehr hohem Nutzen
- Oft als DIY-Projekt machbar
- Nach GEG Pflicht bei Eigentümerwechsel
3. Kellerdeckendämmung
Fußkälte im Erdgeschoss? Die Kellerdecke ist oft der Übeltäter.
| Variante | Dämmstärke | U-Wert | Kosten |
|---|---|---|---|
| Unterseitige Dämmung | 8–12 cm | 0,25–0,30 | 35–55 €/m² |
| Oberseitige Dämmung | 3–6 cm | 0,40–0,50 | 50–90 €/m² |
Vorteile:
- Einfache Umsetzung bei zugänglicher Kellerdecke
- Spürbarer Komfortgewinn (warme Füße!)
- Relativ günstig
4. Fenstertausch
Alte Fenster sind oft die größten Einzelschwachstellen:
| Fenstertyp | Uw-Wert | g-Wert | Kosten |
|---|---|---|---|
| Einfachverglasung | 5,0–5,5 | 0,85 | - |
| Doppelverglasung (alt) | 2,5–3,0 | 0,75 | - |
| 2-fach Wärmeschutz | 1,1–1,3 | 0,60 | 300–450 €/m² |
| 3-fach Wärmeschutz | 0,6–0,9 | 0,50 | 400–600 €/m² |
Wichtig beim Fenstertausch:
- g-Wert beachten (solare Gewinne)
- Rahmenanteil und Einbausituation berücksichtigen
- Fassadendämmung zeitgleich in Betracht ziehen
5. Luftdichtheit und Wärmebrücken
Oft unterschätzt, aber wichtig:
| Maßnahme | Einsparpotenzial | Kosten |
|---|---|---|
| Rollladenkastendämmung | 1–3% | 50–150 €/Stück |
| Dichtung Fenster/Türen | 1–2% | 10–30 €/Fenster |
| Dämmung Heizkörpernischen | 0,5–1% | 30–60 €/Nische |
| Dämmung Rohrleitungen | 2–5% | 10–20 €/m |
Wirtschaftlichkeit und Priorisierung
Kosten-Nutzen-Verhältnis
| Maßnahme | Einsparung | Kosten | Amortisation |
|---|---|---|---|
| Dämmung oberste Decke | 10–15% | 30–60 €/m² | 3–6 Jahre |
| Kellerdeckendämmung | 5–10% | 35–55 €/m² | 5–8 Jahre |
| Außenwanddämmung | 20–35% | 120–180 €/m² | 12–20 Jahre |
| Fenstertausch | 10–15% | 400–600 €/m² | 15–25 Jahre |
| Dachdämmung | 15–25% | 100–200 €/m² | 10–15 Jahre |
Priorisierungs-Matrix
| Kriterium | Höchste Priorität | Mittlere Priorität | Niedrige Priorität |
|---|---|---|---|
| Einsparpotenzial | > 20% | 10–20% | < 10% |
| Amortisation | < 8 Jahre | 8–15 Jahre | > 15 Jahre |
| Komfortgewinn | Hoch | Mittel | Gering |
| Ohnehin fällig | Ja | Teilweise | Nein |
Die richtige Reihenfolge
Empfohlene Sanierungsreihenfolge:
-
Oberste Geschossdecke / Dach
- Günstig, hohe Wirkung, schnelle Amortisation
-
Kellerdecke
- Günstig, spürbarer Komfortgewinn
-
Außenwand + Fenster (gemeinsam!)
- Größtes Potenzial, aber teuer
- Nur sinnvoll bei ohnehin geplanter Fassadensanierung
-
Lüftungsanlage
- Nach Verbesserung der Luftdichtheit wichtig
- Wärmerückgewinnung spart zusätzlich
Goldene Regel: "Erst die Hülle, dann die Technik!" Sanieren Sie zuerst die Gebäudehülle, dann die Heizung. Eine optimal gedämmte Gebäudehülle braucht eine viel kleinere (und günstigere) Heizung.
GEG-Anforderungen bei Sanierung
Bedingte Anforderungen
Das GEG 2024 schreibt U-Werte nur vor, wenn Sie ohnehin sanieren:
| Bauteil | Anforderung U-Wert | Auslöser |
|---|---|---|
| Außenwand | ≤ 0,24 W/(m²·K) | Erneuerung > 10% der Fläche |
| Dach | ≤ 0,20 W/(m²·K) | Erneuerung der Dachhaut |
| Oberste Decke | ≤ 0,24 W/(m²·K) | Pflicht bei Eigentümerwechsel |
| Fenster | ≤ 1,10 W/(m²·K) | Austausch der Fenster |
| Außentür | ≤ 1,80 W/(m²·K) | Austausch der Tür |
Ausnahmen
- Denkmalgeschützte Gebäude
- Unwirtschaftlichkeit (im Einzelfall nachzuweisen)
- Technische Unmöglichkeit
Fördermöglichkeiten 2025
Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG)
| Maßnahme | Fördersatz | Max. Förderbetrag |
|---|---|---|
| Einzelmaßnahmen Hülle | 15% | 30.000 €/WE |
| + iSFP-Bonus | +5% | - |
| Heizungstausch (WP) | 30–70% | 30.000 €/WE |
| Komplettsanierung EH | 5–25% | 150.000 €/WE |
Steuerliche Förderung
| Variante | Fördersatz | Zeitraum |
|---|---|---|
| § 35c EStG | 20% | 3 Jahre verteilt |
Wichtige Voraussetzungen
- Energieeffizienz-Experte einbinden (für BEG)
- Antrag vor Maßnahmenbeginn stellen
- Technische Mindestanforderungen einhalten
- Fachunternehmer beauftragen
Tipp: Der individueller Sanierungsfahrplan (iSFP) bringt nicht nur 5% Extra-Förderung, sondern auch einen strukturierten Plan für die schrittweise Sanierung. Die Kosten für den iSFP werden zu 80% gefördert!
Von der Berechnung zur Umsetzung
Schritt-für-Schritt-Vorgehen
-
Heizlastberechnung durchführen
- Bauteilweise Analyse
- U-Werte dokumentieren
-
Schwachstellen identifizieren
- Bauteile mit höchsten Verlusten
- Abweichung von GEG-Werten
-
Sanierungsfahrplan erstellen
- Maßnahmen priorisieren
- Zeitliche Staffelung planen
-
Wirtschaftlichkeit prüfen
- Kosten ermitteln
- Förderung einrechnen
- Amortisation berechnen
-
Fördermittel beantragen
- Energieberater einbinden
- Anträge stellen
-
Umsetzung
- Fachfirmen beauftragen
- Qualitätskontrolle
Nach der Sanierung
- Neue Heizlastberechnung durchführen
- Heizung anpassen (oft kleiner dimensionierbar)
- Hydraulischen Abgleich neu durchführen
- Erfolg kontrollieren (Verbrauchsmonitoring)
Fazit
Merksatz: Die Heizlastberechnung ist das perfekte Werkzeug zur Identifikation von Sanierungsprioritäten. Sie zeigt exakt, welche Bauteile die größten Wärmeverluste verursachen und wo Investitionen den höchsten Nutzen bringen. Die Faustregel lautet: Erst die günstigsten Maßnahmen mit schneller Amortisation (oberste Decke, Kellerdecke), dann die aufwändigeren Maßnahmen wenn ohnehin Instandhaltung ansteht (Fassade, Fenster). Mit den aktuellen Förderprogrammen werden viele Maßnahmen deutlich wirtschaftlicher.
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Weiterführende Artikel
- Heizlast-Ergebnisse richtig verstehen
- Heizkörperoptimierung für Wärmepumpen
- Anleitung zur Heizlastberechnung
Quellen
- Gebäudeenergiegesetz (GEG) 2024
- DIN EN 12831-1: Heizlastberechnung
- DIN 4108: Wärmeschutz im Hochbau
- BAFA: Bundesförderung für effiziente Gebäude
- dena: Sanierungsfahrplan für Wohngebäude